Je besser sich der Chirurg und der Anästhesist kennen, desto besser für die Patienten. Das ist eigentlich naheliegend, aber nun auch im Rahmen einer Studie nachgewiesen. Wir meinen, dass das gute Teamwork vor allem in der Proktologie wichtig ist, weil es hier um einen sehr empfindlichen Körperteil geht, der auch schambehaftet ist und Patienten unserer Meinung nach besonders fürsorglich behandelt werden müssen.
Stellen Sie sich vor, im Operationssaal arbeiten ein Chirurg, der die Operation durchführt, und ein Anästhesist, der für die Narkose und die Überwachung des Patienten während des Eingriffs zuständig ist, wie ein perfekt eingespieltes Duo. Eine aktuelle Studie aus Kanada hat jetzt sehr überzeugend gezeigt, dass genau diese eingespielte Zusammenarbeit erhebliche Vorteile für die Patienten bringt: Es treten einfach wesentlich seltener ernste Probleme nach der Operation auf.
Die Kernbotschaft: Vertraute Teams operieren sicherer
Die Forscher wollten herausfinden, ob es einen Unterschied macht, wie gut sich der operierende Chirurg und der verantwortliche Anästhesist kennen und wie oft sie schon zusammengearbeitet haben. Die klare Antwort lautet: Ja, es macht einen großen Unterschied! Das Fazit der Studie, die in der renommierten medizinischen Fachzeitschrift JAMA Surgery veröffentlicht wurde, könnte man so zusammenfassen: „Jede Operation, die ein fest eingespieltes Chirurg-Anästhesist-Team gemeinsam durchführt, trägt dazu bei, das Risiko für die Patienten zu senken.“
Was genau wurde untersucht?
Die Wissenschaftler haben sich auf sogenannte „schwere postoperative Komplikationen“ konzentriert. Das sind ernsthafte gesundheitliche Probleme, die innerhalb von 90 Tagen (also etwa drei Monaten) nach einer geplanten, risikoreichen Operation auftreten können. „Schwerwiegend“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Komplikationen so gravierend waren, dass sie beispielsweise einen erneuten chirurgischen Eingriff notwendig machten, zu bleibenden Schäden führten oder sogar lebensbedrohlich waren (Ärzte nutzen hierfür eine Klassifikation namens Clavien-Dindo, wobei die Grade 3 bis 5 die schweren Fälle beschreiben).
Für diese Untersuchung wurde eine beeindruckende Menge an Daten analysiert: Informationen zu insgesamt 711.006 Operationen. Diese Eingriffe wurden zwischen den Jahren 2009 und 2019 in 95 verschiedenen Krankenhäusern in der kanadischen Region Ontario durchgeführt. Es handelte sich dabei um geplante Operationen (sogenannte elektive Eingriffe), die von vornherein als risikoreich eingestuft wurden.
Die Ergebnisse im Detail: Weniger Komplikationen durch Team-Erfahrung
Das Forschungsteam um Dr. Julie Hallet vom Sunnybrook Health Centre in Toronto konnte nachweisen, dass jede zusätzliche Operation, die ein festes Zweierteam (Chirurg und Anästhesist) pro Jahr gemeinsam durchführte, mit einer messbaren Verringerung des Risikos für schwere Komplikationen einherging. Wichtig ist hierbei, dass die Forscher andere mögliche Einflussfaktoren, wie zum Beispiel das Alter der Patienten, deren allgemeiner Gesundheitszustand oder die Komplexität des jeweiligen Eingriffs, statistisch herausgerechnet haben. So konnte sichergestellt werden, dass der beobachtete positive Effekt tatsächlich auf die verbesserte Teamarbeit zurückzuführen ist.
Konkret sahen die Ergebnisse so aus:
Bei Operationen im Magen-Darm-Bereich (Gastrointestinaltrakt, kurz GIT), die als besonders risikoreich gelten, sank das Risiko für schwere Komplikationen um 8% für jede zusätzliche, gemeinsam im Team durchgeführte Operation pro Jahr.
- Bei weniger riskanten Operationen im Magen-Darm-Bereich betrug diese Risikoreduktion immerhin noch 4%.
- Bei Operationen aufgrund von Krebserkrankungen im gynäkologischen Bereich (also bei Organen des weiblichen Fortpflanzungssystems) verringerte sich das Risiko um 3%.
- Und bei Operationen an der Wirbelsäule konnte ebenfalls eine Risikosenkung von 3% beobachtet werden.
Die Forscher untersuchten nicht nur die Komplikationsrate, sondern als einen weiteren Punkt auch die Sterblichkeit innerhalb von 30 Tagen nach der Operation. Auch hier zeigte sich ein ähnliches positives Bild: Eingespielte Teams hatten auch hier tendenziell bessere Ergebnisse.
Nicht bei allen Operationsarten gleich deutlich
Interessanterweise war dieser positive Zusammenhang nicht bei allen Arten von Operationen gleich stark nachweisbar. Bei orthopädischen Eingriffen (z.B. an Knochen, Gelenken), Herzoperationen und Lungenoperationen war der Effekt statistisch nicht „signifikant“. Das bedeutet, man konnte hier nicht mit letzter Sicherheit sagen, ob die beobachteten Unterschiede tatsächlich auf die Team-Erfahrung zurückzuführen sind oder ob sie auch zufällig hätten auftreten können.
Dr. Hallet und ihr Team haben dafür eine mögliche Erklärung: Es könnte sein, dass in diesen speziellen chirurgischen Bereichen feste Zweierteams ohnehin schon häufiger die Regel sind. Wenn Teams also sowieso schon sehr oft zusammenarbeiten, ist der zusätzliche Nutzen einer weiteren gemeinsamen Operation möglicherweise nicht mehr so groß.
Trotzdem fanden die Forscher – mit Ausnahme der Lungenoperationen – auch in diesen Bereichen einen tendenziellen Zusammenhang: Je mehr Operationen ein Team gemeinsam durchführte, desto seltener traten bei den Patienten gesundheitliche Probleme (medizinisch „Morbidität“ genannt) auf.
Kein magischer Schwellenwert, aber jeder Eingriff zählt
Die Studie konnte keinen exakten „Schwellenwert“ identifizieren – also keine bestimmte Anzahl an gemeinsam durchgeführten Operationen, ab der sich der positive Effekt plötzlich besonders deutlich zeigt. Es scheint vielmehr ein kontinuierlicher Prozess zu sein: Jede zusätzliche, gemeinsame Erfahrung ist wertvoll.
Im Durchschnitt (Medianwert) hatten die untersuchten Teams pro Jahr nur drei oder sogar weniger Operationen gemeinsam absolviert. Bei Herz- oder orthopädischen Operationen lag dieser Wert mit durchschnittlich neun bzw. acht gemeinsamen Eingriffen pro Jahr allerdings deutlich höher.
Es ist auch wichtig zu verstehen, dass das Grundrisiko für Komplikationen je nach Art des Eingriffs sehr unterschiedlich ist. So lag die Rate der Komplikationen innerhalb von 90 Tagen nach einer Herzoperation bei sehr hohen 65% (also fast zwei Drittel der Patienten waren betroffen), während sie nach orthopädischen Eingriffen bei nur knapp 8% lag.
Warum ist das so? Bessere Teamarbeit führt zu besseren Ergebnissen
Die Forscher vermuten, dass ein Gefühl der Vertrautheit und des Eingespieltseins im Operationssaal zu einer spürbar besseren Teamarbeit und zu mehr gegenseitigem Vertrauen führt. Dies wiederum schlägt sich in besseren Operationsergebnissen nieder. Man kann sich das so vorstellen: Wenn sich Chirurg und Anästhesist gut kennen, verstehen sie sich oft ohne viele Worte. Die Zusammenarbeit ist reibungsloser, sie können die Handlungen und Bedürfnisse des anderen besser vorhersehen und sich gegenseitig optimal unterstützen. Dies alles trägt zu einem störungsfreien Ablauf der Operation bei und verringert die Wahrscheinlichkeit, dass Fehler passieren oder unerwartete Probleme auftreten.
Die Forschungsgruppe um Dr. Hallet hatte bereits in einer früheren Studie ähnliche positive Zusammenhänge zwischen eingespielten Teams und besseren Ergebnissen nachweisen können, damals allerdings beschränkt auf Operationen an der Speiseröhre sowie im Bereich der Bauchspeicheldrüse, Leber und Gallengänge.
Die Studie liefert starke Hinweise darauf, dass es sich für Krankenhäuser und Operationsteams lohnt, auf Kontinuität und feste Teamstrukturen bei Chirurgen und Anästhesisten zu setzen. Denn wenn diese Schlüsselpersonen regelmäßig zusammenarbeiten und sich gut aufeinander einstellen können, profitieren davon vor allem die Patienten durch ein geringeres Risiko für schwere Komplikationen nach einer Operation. Übrigens: Das eingespielte Team ist in unserem medizinischen Alltag seit vielen Jahren Realität, alle in eine Behandlung oder in eine Operation involvierten Fachleute können sich blind aufeinander verlassen. Wir können die Ergebnisse der Studie daher nur bestätigen und die vielen positiven Rückmeldungen unserer Patienten sprechen ebenso eine deutliche Sprache.
Wir sehen uns im Wartezimmer!