Latrinen-Graffiti

Öffentliche Latrine aus der Römerzeit in Ostia

„Bene caca et irrima medicos“ (Kacke gut und scheiß auf die Ärzte). Das sagt eine Inschrift in einer Latrine in Roms Hafenstadt Ostia aus der Zeit Kaiser Vespasians, die Archäologen vor einiger Zeit ausgegraben und restauriert haben. Die römischen Latrinen waren gut besuchte Gemeinschaftsräume, in denen allerlei Wichtiges verhandelt wurde – „ein Geschäft machen“ und „Geld stinkt nicht“ ist genau in diesem Kontext entstanden und hat sich bis heute erhalten. Es mag verwundern, doch das Verrichten der Notdurft war im alten Rom eine kollektive Veranstaltung – durch alle Gesellschaftsschichten hindurch.

Das Latrinen-Graffiti in Ostia legt nahe, dass die Zunft der Mediziner vor knapp 2000 Jahren nicht die allerbeste Wertschätzung erhielt. Das wiederum könnte daran liegen, dass seinerzeit jede Menge Quacksalber unterwegs gewesen sind, die wohl mehr Schaden angerichtet, als Gesundheit bewirkt haben. Gute Ärzte standen wohl nur dem Hochadel zur Verfügung, das Volk musste sich mit fragwürdigen Wunderheilern und Kräuterfrauen begnügen.

Dennoch ergibt das Klo-Graffiti einen tieferen Sinn, schließlich ist ein gesunder Darmtrakt essenziell für die menschliche Gesundheit und das allgemeine Wohlbefinden. Schon damals hatte die Bevölkerung mit Zivilisationskrankheiten zu kämpfen, die uns heute auch nicht fremd sind: unregelmäßiges und schlechtes Essen bis hin zur Völlerei, Verunreinigung von Lebensmitteln, üble hygienische Zustände insbesondere in den Milieu-Stadtteilen, schlechte Luft, wenig Bewegung und bakteriell kontaminierte Getränke sorgten dafür, dass ständig Krankheiten auftraten, gegen die Kräuter und Tinkturen nur selten halfen. Insofern war ein gut funktionierendes Verdauungssystem ein belastbares Indiz für körperliche Gesundheit.

Wir haben das Glück, im 21. Jahrhundert zu leben und können auf ein modernes und leistungsfähiges Gesundheitssystem zugreifen – eines der besten der Welt. Im alten Rom war eine Blinddarmentzündung in den meisten Fällen noch ein Todesurteil. Bei Erkrankungen des Verdauungsapparates steht uns heute eine breite Palette medizinischer Möglichkeiten zur Verfügung, die die Gesundheit von Patienten – auch bei vorangegangenem ungesundem Lebenswandel – vollständig wiederherstellen können. „Handauflegen“ und „Kräutertinkturen“ gehören jedenfalls nicht dazu.

Foto: ©Fubar Obfusco (Creative Commons)